Seit über 10 Jahren aktuell: Sollen Manager ins Rampenlicht?

By 14. November 2013April 23rd, 2015Blog

Schon 2002 veröffentlichte das Handelsblatt unter der Überschrift „Die großen Unbekannten“ einen Bericht über das Thema CEO-Branding. Anlass war damals eine Studie, die das Kölner Marktforschungsinstitut Rheingold zusammen mit Johannes Röhr durchgeführt hatte und noch nichts von seine Aktualität eingebüßt hat.

Hier der Artikel in voller Länge:

Die großen Unbekannten Der Deutsche Manager hält sich vom Rampenlicht eher fern. Ein Fehler, behaupten aktuelle Studien:

Vorstandschefs sollten sich stärker in der Öffentlichkeit profilieren, denn das nützt vor allem ihrem Unternehmen – und kann in einer Krise sogar das Firmenimage retten.

JOACHIM WOLLSCHLÄGER HANDELSBLATT, 14.6.2002

Michael Frenzel ist kein Rennfahrer, Hans-Jürgen Schinzler kein Bestseller-Autor und Hans-Joachim Körber ist auch nicht der Gründer der gleichnamigen Körber-Stiftung.

Das Ergebnis einer – nicht repräsentativen – Umfrage von Karriere & Management zeigt: Die Vorstandsvorsitzenden der Dax-30-Unternehmen sind weitgehend unbekannt. Zwar konnte noch die Hälfte der Befragten Michael Frenzel richtig der Preussag zuordnen, doch dass Herbert Hainer zu Adidas und Hans-Jürgen Schinzler zur Münchner Rück gehören, wusste kaum einer.

Vorstandsvorsitzende deutscher Unternehmen – sieht man von besonders prominenten Managern wie Ron Sommer oder Jürgen Schrempp ab – stehen selten im Rampenlicht. Es gehört einfach nicht zur deutschen Unternehmenskultur, Einzelpersonen herauszustellen.

Das bestätigt auch eine Umfrage, die Karriere & Management bei den DAX-Unternehmen durchgeführt hat. Die Frage nach dem Erfolgsprinzip der Vorstandsvorsitzenden wollte ein Großteil der Unternehmen nicht beantworten. Allgemeines Fazit der Umfrage: “Wir wollen Einzelne nicht in den Vordergrund stellen” und “Unser Unternehmen setzt auf Teamarbeit, nicht auf Einzelpersonen”.

Falsche Bescheidenheit? Zwei aktuelle Studien raten den Unternehmen zum Umdenken: “Die Reputation des CEO hat eine hohe Auswirkung auf das Ansehen des gesamten Unternehmens”, ermittelte die Kommunikationsagentur Burson-Marsteller gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Emnid. Burson-Marsteller befragte 800 Personen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in Deutschland zum Ansehen der CEO. 65 Prozent identifizieren demnach das Unternehmen über seinen Vorstandsvorsitzenden. Und fast die Hälfte lässt sich bei Anlage-Entscheidungen vom Ansehen des Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens beeinflussen.

Die Bedeutung des Vorstandsvorsitzenden in der Außenwahrnehmung belegt auch eine tiefenpsychologisch fundierte Studie, die das Kölner Marktforschungsinstitut Rheingold gemeinsam mit dem Düsseldorfer Unternehmensberater Johannes Röhr durchgeführt hat: “Angesichts des Börsenbooms und der breiten Berichterstattung in den Medien hat sich neben den etablierten vier Identitätsfeldern Sport, Showbusiness, Mode und Politik ein neues Identitätsfeld herausgebildet: Wirtschaft”, sagt Rheingold-Geschäftsführer Jens Lönnecker. “Wirtschaftsführer erfüllen die gleiche Voraussetzungen für Prominenz wie Boris Becker im Sport, Claudia Schiffer in der Mode und Günther Jauch im Showgeschäft. Sie werden zu Identifikationspersonen, die stellvertretend für das Unternehmen stehen. “Die logische Konsequenz aus der Rheingold-Studie: Unternehmenslenker sollten sich über ihr persönliches Erfolgsprinzip im Klaren sein, dies in der Öffentlichkeit kommunizieren – und natürlich auch entsprechend handeln.

 “Ein Wirtschaftsführer mit einem klar formulierten Erfolgsprinzip erleichtert es, Entscheidungen mitzutragen und seinen Strategien zu folgen.”

Gleichzeitig muss dieses Erfolgsprinzip in Einklang mit den Leitlinien und der Strategie des Unternehmens stehen. Röhr: “Ein Wirtschaftsführer mit einem klar formulierten Erfolgsprinzip erleichtert es, Entscheidungen mitzutragen und seinen Strategien zu folgen.” Da der Mensch grundsätzlich dazu neigt, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen, steht der Vorstandsvorsitzende als Person für das Unternehmen. In den Medien lässt sich dies bereits häufig verfolgen, wenn statt von Daimler Chrysler von Jürgen Schrempp die Rede ist, oder wenn Ulrich Hartmann für die Übernahmepolitik von Eon steht.

Auch Peter Krumbach-Mollenhauer von der Unternehmensberatung Harvey-Nash rät Vorstandsvorsitzenden, sich in der Öffentlichkeit als Identifikationsfigur für ihr Unternehmen hervorzutun: “Wenn sich jemand wie der Bertelsmann-Chef Middelhoff auch in Talkshows positiv als Familienvater profilieren kann, schafft das ein Bild des Managers, das sich auch auf die Firma überträgt. Das gibt schon einen positiven Sog.” Im besten Fall könne ein Vorstandsvorsitzender das Image des Unternehmens sogar durch eine Krise hindurch retten.

Als Heldenverehrungsstückchen und die Rückkehr des Feudalprinzips tut dagegen Beiersdorf-Konzernsprecher Klaus-Peter Nebel jegliches Bestreben ab, den Vorstandsvorsitzenden zur Identifikationsfigur des Unternehmens zu machen: “Natürlich muss ein Vorstandsvorsitzender eine konzeptionelle Vorstellung haben, kompetent sein, und dies auch vermitteln. Aber das Unternehmen kann auch erfolgreich sein, wenn der Chef nicht als das erste Revuegirl der Firma rumtingelt.”

Nebel argumentiert aus einer entspannten Situation: Beiersdorf-Chef Rolf Kunisch ist zwar sehr zurückhaltend – trotzdem hat sich der Konzern in seiner Amtszeit hervorragend entwickelt und der Aktienkurs hat sich vervielfacht. Nebel: “Die Anleger vertrauen uns auch, ohne dass Herr Kunisch sich selbst zur Marke macht.”

Außerdem seien all diese Positionierungs-Ideen nicht Schlechtwetter-tauglich: “Wenn der Vorstandsvorsitzende schlechte Arbeit liefert, können Sie deshalb ja nicht den Betrieb einstellen.”

Thomas Köhler, Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Accenture, sieht das ähnlich:”Die originäre Aufgabe eines CEO ist es, ein Unternehmen zu führen. Und dann kommt lange nichts.” Er warnt davor, die Nummer eins der Firma zu stark in den Vordergrund zu stellen, und so eine Abhängigkeit zu schaffen, wie dies häufig in Familienunternehmen geschieht.

Ein Beispiel dafür: Klaus Hipp, der mit seinem guten Namen für die Qualität seiner Produkte steht. Oder Roland Berger, dessen Name gleichzeitig Firma ist. Das Image des Chef dürfe nicht die Firma überstrahlen – und seine Außenwirklung dürfe schon gar nicht zur Unternehmens-Strategie werden: “Öffentlichkeitswirkung als Auswahlkriterium für einen CEO – das kann nicht das Entscheidende sein”, warnt der Accenture-Chef.

Die Konzentration auf Öffentlichkeitswirkung und Positionierung kann sogar hinderlich sein: Ferdinand Piëch – sicher wäre er nicht VW-Chef geworden, hätte das Unternehmen einen begnadeten Kommunikator gesucht. Ron Sommer – seine Positionierung als moderner, kreativer Innovator, der ein Staatsunternehmen privatisiert, hat sich überholt. Den Sanierer, der den Strukturwandel schafft, nimmt man dem spitz positionierten Manager nicht mehr ab. Wolfgang Reitzle – der frühere BMW-Manager mit “Benzin im Blut” wird es schwer haben, davon zu überzeugen, dass er sich jetzt bei Linde für Gabelstapler und technische Gase begeistert.

Diesen prominenten Beispielen jedoch stehen all die grauen Mäuse im DAX gegenüber, die fast so unbekannt sind wie ihre Vorstände. Ihnen könnte mehr Bekanntheit wahrlich nicht schaden: “Ich bin davon überzeugt, dass in der richtigen Positionierung des Vorstandsvorsitzenden ein Nutzen für das Unternehmen steckt, der von diesen überhaupt nicht erkannt wird”, sagt Psychologe Lönnecker.

Ihm geht es weniger um Regeln für die Auswahl und Positionierung des CEO – die kann die Studie gar nicht geben, weil das empirische Material dafür nicht ausreicht. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Thema an Bedeutung gewinnt – und sie zeichnen ein Bild der Manager, das diesen so auch nicht recht sein kann. Röhr: “Unbekannte Manager werden nur als Kaste wahrgenommen, die einzig an Tantiemen interessiert ist – im besten Fall gelten sie als austauschbare Normerfüller.”